Kategorien
Blog

Interne Kommunikation zu Nachhaltigkeit oft zu formelhaft

Im Folgenden finden Sie die ungekürzte Fassung eines Interviews, welches ich dem Fachportal Springer Professional gegeben habe. Thema ist meine Disserationsforschung zur internen Kommunikation von Nachhaltigkeit

Sie haben in einer Studie untersucht, wie Unternehmen mit guter interner Kommunikation Mitarbeiter für Nachhaltigkeit begeistern können. Was bedeuten in diesem Zusammenhang die Begriffe Sensemaking und Sensegiving?

Ausgangspunkt meiner Untersuchung war eine Aussage, die ich in den zurückliegenden Jahren immer wieder gehört habe, wenn ich mit Unternehmen über die Umsetzung Ihrer CSR-Strategie im Unternehmen gesprochen habe. Die war „Wir haben das Gefühl CSR, wie aus dem Lehrbuch umzusetzen und auf allen Kanälen zu kommunizieren – trotzdem gelingt es uns kaum unsere Mitarbeiter zu begeistern oder gar einzubinden für oder in die Umsetzung. Warum das so ist, wissen wir nicht.“ Ich wollte das aber wissen und habe mich deshalb entschieden, da genauer hinzuschauen. Als Kommunikationswissenschaftler wollte ich dazu natürlich vor allem die interne Kommunikation in den Blick nehmen. Das Problem bei bisher vorliegenden Untersuchungen war jedoch, dass diese sich vor allem auf die eher offiziellen Artefakte interner Kommunikation fokussiert haben. Wir wissen aber ebenso alle, dass die Webseite, das Intranet oder die Mitarbeiterbroschüre zur Information wichtig sind, die tatsächliche Meinungsbildung oder sehr oft in der informellen Kommunikation stattfindet. Hier gilt es also viel genauer hinzuschauen, wie wirklich soziale und individuelle Prozesse der Aushandlung und Meinungsbildung im Unternehmen passieren. Aus diesem Grunde habe ich für meine Untersuchung theoretische Perspektiven aus der Organisationspsychologie und genauer aus der Forschung zu Change- und Krisensituationen integriert, welche eben unter dem Stichwort Sensemaking und Sensegiving firmieren. Untersucht wird dabei wie Menschen sich in Situationen des Wandels orientieren und versuchen mit den neuen Anforderungen und Informationen zurechtzukommen und weiterhin handlungsfähig zu sein – also neuen Sinn zu generieren – eben Sensemaking. Sensegiving ist dazu die zweite Seite der Medaille und schaut auf die Prozesse und Strukturen, die für die Beeinflussung von Sinn-Generierung relevant sind. Mit beiden Seiten hat man dann einen ganzheitlichen Blick auf die Aushandlung von CSR und Nachhaltigkeit im Unternehmen. Damit kann man dann die Frage beantworten, wie Mitarbeiter eines Unternehmens gemeinsam bestimmen, was CSR für das eigene Unternehmen genau bedeutet.

Was waren zentrale Ergebnisse dieser Studie, die für Praktiker in Unternehmen besonders relevant sind?

Zunächst einmal hat sich gezeigt, dass Nachhaltigkeit und CSR keineswegs wie oft behauptet und gehofft, von Mitarbeitern quasi automatisch als relevant und sinnvoll angesehen wird. Trotz aller gesellschaftlichen Debatten, sinnvoller Ziele und notwendiger gesellschaftlicher Transformation ist es für Mitarbeiter nicht leicht sich auf das Thema aktiv einzulassen. Das hat mehrere Gründe bekannte Gründe, wie Arbeitsverdichtung, ökonomischer Druck, Informationsüberflutung.

Einer bisher wenig betrachteter, aber entscheidender Punkt liegt weiterhin in der Kommunikation bzw. dem internen Storytelling. In meiner Analyse ist deutlich geworden, das Top-Management, mittleres Management und andere Mitarbeiter oft vollkommen unterschiedliche Geschichten und Themen in den Mittelpunkt stellen – es hier also nur wenige Schnittmengen gibt. Das behindert die interne Diskussion. Zudem habe ich festgestellt, dass es oft einen enormen Druck auf der Sensegiving-Seite gibt – also sehr viel kommunikativer Druck und nicht selten auch Informationsüberschuss produziert wird. Aber Dinge lauter und öfter zu sagen hat für mehr Verständnis und Handlungsänderungen noch nie etwas gebracht. Zudem wird in der offiziellen internen CSR-Kommunikation auch oft sehr formelhaft, fast schon mit Satzbausteinen argumentiert. Dies unterbindet kognitive Auseinandersetzung, Reibung und Diskussionen – die aber für Sensemaking enorm wichtig sind. Interessant zu sehen war auch, dass es durchaus auch problematisch sein kann, wenn ein Unternehmen anhaltend wirtschaftlich erfolgreich ist und eine starke Unternehmenskultur besitzt. Alles Punkte, die gemeinhin als rein positiv genannt werden. Es führt aber dazu, dass es z.B. im Unternehmen nur wenig gemeinsame und geteilte Erfahrungen und Geschichten für erfolgreichen Wandel und Krisen gibt – was die Kommunikation über ein Change-Projekt wie CSR erschwert. Zudem -kann ein gewisser Harmoniedruck durch die starke Identifikation und Kultur ebenfalls Diskurs unterdrücken. Ich habe diese Faktoren aus struktureller Sicht und inhaltlicher Sicht deshalb auch in einem Modell zusammengefasst (Fig. 1.)

Fig.1: Das CSR Mitarbeiter-Passivitätsmodell (Wagner 2018)

Eine zweite wesentliche Erkenntnis war, dass es notwendig ist CSR nicht nur als Change-Projekt zu denken, sondern sich auch ganzheitlich darüber klar zu werden, dass damit einhergehende Verhaltensänderungen eine Atmosphäre des Gelingens brauchen – eine sehr schöne Formulierung, die bspw. der Hirnforscher Gerald Hüther immer wieder in ähnlichen Zusammenhängen gebraucht. Das habe ich aufgegriffen und einen Ansatz entwickelt, den ich in einem so genannten salutogenetischen CSR-Kohärenzmodell zusammengefasst habe (Fig.2) . Die Salutogenese nach Aaron Antonovsky betrachtet ursprünglich nicht, wie die Pathogenese, die Entstehung von Krankheiten, sondern eben die Bedingungen unter denen Gesundheit entstehen kann. Das geht also weit über das Ausbleiben negativer Einflüsse hinaus. Auf CSR und Nachhaltigkeit angewendet brauchen hier einen Dreiklang aus Verstehbarkeit (Understandability) der CSR-Strategie, Handhabbarkeit (Managebility) des CSR-Managements und Sinnhaftigkeit (Meaningfulness) der CSR-Maßnahmen. Erst wenn diese Faktoren, unterstützt durch ein ausgewogenes Sensemaking und Sensegiving ineinandergreifen – kann Nachhaltigkeit und CSR gelingen. Die Überwindung von Passivität und das Schaffen einer salutogenetischen und kohärenten Umgebung ist vor allem dann relevant, wenn es nicht nur gilt standardisierte CSR-Programme umzusetzen, sondern wenn im Sinne einer CSR 3.0 grundlegende strategische Innovations- und Changeprozesse angestoßen werden sollen, die ein Geschäftsmodell nachhaltig ändern. Das kann nicht gelingen, wenn im Unternehmen nur eine handvoll Mitarbeiter mitdenken und mitwirken.

Fig.2: Die salutogene CSR-Kohärenzpyramide (Wagner 2018)

 Wie sind bei der Studie methodisch vorgegangen?

Es handelt sich bei meiner Studie um eine qualitative Fallstudie, ergänzt um Experteninterviews. Grundsätzlich war es mein Anliegen die Prozesse und Strukturen der internen Kommunikation so gut und detailliert wie möglich zu untersuchen. Das beinhaltet auch den Wunsch so dicht wie möglich am Untersuchungsobjekt zu sein und quasi einzutauchen in die jeweiligen Situationen. Deshalb habe ich mich auch für ein Unternehmen als Fallbeispiel entschieden, dass ich bereits seit einigen Jahren kannte und in dessen Branche ich bereits seit mehr als zwanzig Jahren aktiv bin. Mir waren also die Rahmenbedingungen und Entwicklungen, in diesem Fall in der Versicherungsbranche, sehr gut vertraut, so dass ich mich hier auch in alle Gegebenheiten, wie beispielsweise die Herausforderungen durch die Digitalisierung sehr gut vertraut. Ich habe das Unternehmen dann in der konkreten Untersuchungsphase mehr als ein Jahr intensiv begleitet, habe hier an Sitzungen verschiedener Gremien, Workshop und Veranstaltungen teilgenommen. Darüber hinaus habe ich dutzende Interviews und Gespräche geführt und weit mehr als einhundert Dokumente intensiv analysiert. Vorbereitend und begleitend habe ich zudem Experteninterviews mit CSR-Managern und Kommunikationsverantwortlichen aus sehr bekannten Unternehmen in anderen Branchen geführt. Insgesamt waren dies mehr als 2000 Seiten an Informationen, Transskripten und Notizen.

Welchen Beitrag leistet die interne Kommunikation bei der Implementierung von CSR/Nachhaltigkeit im Unternehmen?

Management ist Kommunikation – das klingt simpel und scheinbar weiß das auch jeder. Aber wenn sie mal schauen, wie Kommunikation bisher mehrheitlich in Forschung und Praxis betrachtet und untersucht wird, werden sie feststellen, dass der Hauptfokus noch immer auf Artefakten und Instrumenten liegt und die Adressaten, Prozesse und Strukturen für Kommunikation kaum genauer angeschaut werden. Das hat auch Auswirkungen darauf, dass das Potenzial, wie hier bei der internen CSR-Kommunikation nicht gehoben wird. Ich hatte in den Interviews auch CSR-Manager, die sinngemäß behauptet haben „CSR hat nichts mit Kommunikation zu tun. Ich bin froh, wenn die PR-Leute nicht an Bord sind, dann kann ich in Ruhe CSR-Arbeit machen“. Deshalb war es mir auch wichtig zwei Dinge herauszuarbeiten. Erstens, wie wichtig Narration und Storytelling von inhaltlicher Seite sind für ein Sensemaking. Denn CSR ist ja kein homogenes und festes Programm, das man einfach aus dem Regal nimmt und umsetzt. Im Gegenteil: Es muss im Unternehmen gerungen und diskutiert werden, was CSR für das Unternehmen ist und wie es umgesetzt werden soll. Und Zweitens: Entgegen der geschilderten Betrachtung, gerade der Teil der Aushandlung die eigentliche CSR-Kommunikation darstellt. Dies habe ich dann in meinem narrativen CSR-Kommunikationsmodell dargestellt (Fig.3.)

Ohne ein solches prozessorientiertes und ganzheitliches Kommunikationsverständnis kann CSR intern nicht sinnvoll umgesetzt werden.

Fig.3: Das narative CSR-Kommunikationsmodell (Wagner 2018)

Wie weit sind Unternehmen nach Ihren Erfahrungen/Erkenntnissen beim Thema interne CSR-Kommunikation? Oder andere formuliert: Haben sie die Bedeutung der internen Kommunikation bei diesem Thema erkannt?

Als qualitative Fallstudie hat das Buch keinen Anspruch hier allgemeingültige Erkenntnisse gefunden zu haben. Ich kann aber an dieser Stelle zumindest auf Basis meiner beruflichen Erfahrungen aus gut dreizehn Jahren Beratung zu dem Thema und der inzwischen auch mehr als zehnjährigen Arbeit für den gemeinsamen Arbeitskreis CSR-Kommunikation der Deutschen Public Relations Gesellschaft und des Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik bewerten. Hier würde ich sagen, dass ein Großteil der Unternehmen nicht mehr zweifelt, dass Interne CSR-Kommunikation wichtig ist und nicht auch die Mitarbeiter einbezogen werden müssen. Entscheidend ist aber die Frage auf welche Weise kommuniziert und einbezogen wird und wie oben bereits geschildert ein kohärentes Umfeld geschaffen wird, in dem CSR gelingen kann.