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Gewollt. Geliebt. Erhofft. Weihnachten für Führungskräfte

Weihnachten als Schule der Menschlichkeit – und als stille Leadership-Lektion

In diesen Tagen hören wir wieder die vertrauten Worte: Weihnachten sei „Besinnlichkeit“. Familie. Freundschaft. Liebe. Und ja – ich mag das. Wirklich. Ich merke sogar: Selbst Menschen, die mit Kirche und Glauben kaum etwas anfangen können, spüren im Dezember eine Art Anspruch. Nicht unbedingt moralisch, eher existenziell: dass es jetzt um Nähe gehen müsste, um Versöhnung, um das, was trägt.

Und genau da kommt bei mir eine Frage hoch, die ein bisschen provokant ist, aber nicht zynisch gemeint: Woher kommt eigentlich diese Selbstverständlichkeit, dass „Liebe“ im Dezember plötzlich kulturelle Pflicht wird? Warum fühlt es sich für viele so falsch an, wenn am Ende nur Konsum, Lichterkette und „Hauptsache harmonisch“ übrig bleiben?

Man kann das kulturgeschichtlich erklären. Man kann es psychologisch deuten. Aber für mich liegt die tiefste Antwort – gerade auch vor dem Hintergrund meines eigenen Glaubenswegs, der in den letzten Monaten sehr persönlich geworden ist – in einer Behauptung, die größer ist als jeder Weihnachtsfilm und zugleich viel leiser daherkommt als jede Ideologie:

Gott wird Mensch. Nicht als Idee. Nicht als Moralprogramm. Sondern als Mensch – mit Geschichte, Körper, Nähe, Verletzlichkeit.

Das Zweite Vatikanische Konzil formuliert es bemerkenswert klar: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf.“ Gaudiumetspes
Das ist mehr als ein schöner Satz. Er behauptet: Wer den Menschen verstehen will – seine Würde, seine Sehnsucht, seine Wunden, seine Größe und seine Abgründe –, muss tiefer schauen als in Biografie, Sozialisation und Systemlogik. Weihnachten sagt: Das Menschliche ist nicht zufällig. Es ist ernstgenommen, ja: von Gott selbst geteilt.

Zwei Gedanken, die man nicht nur „schön“ findet, sondern besser ausprobiert

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr verdichtet es sich für mich auf zwei Sätze. Sie sind keine intellektuelle Abkürzung, eher eine Übung – fast so etwas wie ein geistlicher Alltagstest.

Benedikt XVI. schreibt: „Wer Hoffnung hat, lebt anders; ihm ist ein neues Leben geschenkt worden.“
Und ich ergänze den zweiten Satz so:

Lebe einmal so, als ob du gewollt bist.

Gewollt – nicht als Produkt deiner Leistung. Nicht als Zufall im großen Getriebe. Sondern als gemeint. Als angesprochen. Als geliebt.

Wenn man das ernsthaft zulässt, passiert etwas Merkwürdiges: Es verändert nicht nur die Stimmung, sondern den Blick auf alles. Auf die eigenen Grenzen. Auf Beziehungen. Auf Angst, Zukunft, Schuld und Versöhnung. Auf Mut. Auf Verantwortung.

Und hier wird es, finde ich, unmittelbar relevant – nicht nur „spirituell“, sondern sehr praktisch.

Was verändert das im Leben – und warum ist das auch eine Leadership-Frage?

Wer „Gewolltsein“ nur als fromme Innerlichkeit liest, unterschätzt die Sprengkraft. Denn im Kern steht eine Verschiebung des Selbstbildes:

  • Wenn ich gewollt bin, muss ich mich nicht permanent selbst rechtfertigen.
  • Wenn ich geliebt bin, kann ich Wahrheit eher aushalten – auch über mich.
  • Wenn ich hoffen darf, muss ich Zukunft nicht erzwingen, sondern kann sie gestalten.

Das klingt abstrakt – aber im Alltag ist es sehr konkret. Ich sehe (auch in Gesprächen mit Führungskräften) drei typische Muster, die sich verändern können:

Von Selbstbehauptung zu Gelassenheit

Viele Führungskräfte stehen – sichtbar oder unsichtbar – unter dem Druck, ständig „stark“ zu sein: Kompetenz beweisen, Kontrolle behalten, nicht wackeln. Das ist menschlich. Aber es macht hart, eng, manchmal auch zynisch.

Die Idee des Gewolltseins wirkt dagegen wie ein Gegengift: Wenn mein Wert nicht an Performance hängt, muss ich mich nicht permanent verteidigen. Ich kann Fehler zugeben, ohne innerlich zu kollabieren. Ich kann Feedback annehmen, ohne es als Angriff zu erleben. Das ist keine Sentimentalität – das ist Führungsreife.

Von Kontrolle zu Verantwortung

Wer sich selbst als „Lenker aller Dinge“ erlebt, wird früher oder später entweder autoritär oder erschöpft. Weihnachten erinnert an etwas anderes: Wir sind Geschöpfe, nicht Schöpfer unserer Welt. Das bedeutet nicht Passivität. Es bedeutet Maß. Es bedeutet Demut im besten Sinn: die Wirklichkeit anzuerkennen, statt sie zu dominieren.

Gerade in Zeiten von KI, Transformation, Dauerkrisen ist das zentral: Gute Führung ist nicht die Illusion totaler Steuerbarkeit, sondern die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, ohne Gott spielen zu wollen.

Von Funktion zu Person

Und damit sind wir beim Kern: Weihnachten widerspricht einer Logik, die in Organisationen oft still regiert – dass Menschen am Ende Funktionen sind. Rollen. KPIs. Profile. Resilienz-Performances.

Wenn Gott Mensch wird, dann ist der Mensch nicht „Material“. Dann ist er unverfügbar. Das ist nicht nur Theologie, das ist Humanismus im stärksten Sinn – und es ist eine Zumutung an jede Kultur und jedes Unternehmen, das Menschen nur als Ressourcen betrachtet.

Das Konzil sagt nicht zufällig, dass sich im Geheimnis Christi das Geheimnis des Menschen klärt. Gaudiumetspes
Denn von dort her wird klar: Der Mensch ist nicht „nützlich“, um Würde zu haben. Er hat Würde – und daraus folgt, was nützlich sein darf.

Katharina von Siena: Würde als Frage – und als Antwort

Meine Taufheilige Katharina von Siena bringt diesen Gedanken in einer einzigen, fast erschreckend klaren Frage auf den Punkt: „Was hat dich bewogen, den Menschen in so große Würde zu setzen?“ – Antwort: Liebe.

Man kann das schnell überlesen – aber eigentlich steckt darin eine Revolution: Würde ist nicht Ergebnis von Macht, Bildung oder Erfolg. Würde ist Ursprung. Geschenk. Zusage.

Und genau deshalb ist Weihnachten nicht nur rührend, sondern fordernd: Wenn Gott so mit dem Menschen umgeht, wie gehen wir dann miteinander um – in Familien, in Teams, in Konflikten, in Entscheidungen, in Strukturen?

Ein kleines Experiment bis nach Epiphanie

Ich schlage für die Zeit bis nach Epiphanie (oder auch einfach für zwei, drei Monate) ein Experiment vor. Kein Druck. Keine religiöse Überforderung. Einfach zwei Fragen – morgens oder abends, ganz schlicht:

Was würde sich heute ändern, wenn ich wirklich gewollt wäre?
Was würde ich wagen, wenn Hoffnung real ist – nicht als Optimismus, sondern als Grund?

Wenn Weihnachten mehr ist als „ein schönes Gefühl“, dann vielleicht genau das: eine Schule der Menschlichkeit, weil Gott unsere Menschlichkeit ernst nimmt – und uns zugleich in eine größere Weite hineinruft.

Warum das auf meine Business-Webseite gehört?

Weil wir uns auch im Beruflichen oft so verhalten, als wären wir nur Funktionen: Rollen, KPIs, Profile, Resilienz-Performances. Weihnachten (richtig verstanden) widerspricht dem leise, aber entschieden: Der Mensch ist mehr. Der Mensch ist nicht „Material“. Und die Welt ist nicht unser Besitz.

Vielleicht ist genau das der unterschätzte Ernst des „Geists der Weihnacht“: Er ist nicht sentimental. Er ist anthropologisch. Und am Ende sogar politisch – weil eine Kultur nur dann menschlich bleibt, wenn sie weiß, dass der Mensch unverfügbar ist.

Weihnachtsgruß und Gebet

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien einen gesegneten 4. Advent, ein lichtvolles Weihnachtsfest und einen Jahreswechsel, der nicht nur laut, sondern auch hoffnungsvoll ist. Lasst uns beten:

Herr Jesus Christus,

du bist Mensch geworden, damit wir nicht im Dunkel bleiben, damit wir erkennen, dass unser Leben nicht Zufall ist, sondern Ruf.

Schenke mir die Gnade, zu glauben, dass ich gewollt bin.

Schenke mir die Freiheit, mich nicht über Leistung zu definieren, sondern als geliebtes Geschöpf zu leben.

Schenke mir Hoffnung, wenn ich müde werde, Mut, wenn ich mich fürchte, und Liebe, die nicht nur fühlt, sondern handelt.

Segne alle, die in diesen Tagen einsam sind.

Tröste die Kranken, stärke die Überforderten, und führe die Zerstrittenen zur Versöhnung.

Lass dein Licht in unseren Häusern, in unseren Herzen und in unserer Welt aufgehen.

Amen.