Kategorien
Blog

Führen mit Haltung: Warum Leadership-Excellence bei der Wirklichkeit beginnt (mit Josef Pieper)

Direkt zum Beratungsangebot

Es gibt einen Satz aus Josef Piepers Tugendlehre, der mich für Führung sofort hellhörig macht – weil er so unmodern klingt und gerade deshalb so aktuell ist: Klugheit ist nicht „cleveres Durchmogeln“, sondern die Tugend, in der „die sachliche Erkenntnis der Wirklichkeit maßgebend für das Tun“ wird. Der Kluge, so Pieper, blickt „zuerst auf die Wirklichkeit“ – und von dort her entscheidet er, was zu tun ist. 

Das ist eine Zumutung in einer Zeit, in der Führung oft zwischen PowerPoint-Logik, KPI-Religion, moralischer Selbstvergewisserung („Wir stehen für…“) und Dauererregung pendelt. Pieper ist da unnachgiebig: Gute Absicht reicht nicht. Wer führen will, muss zuerst wirklich sehen lernen.

Und genau hier beginnt „Führen mit Haltung“ im anspruchsvollen Sinn: nicht als Pose, nicht als Werte-Branding – sondern als Charakterarbeit, die Urteilskraft ermöglicht.

Klugheit: Urteilskraft statt Gesinnungsmanagement

Pieper nennt die Klugheit die Leit-Tugend. Im Kern heißt das: Die Qualität meiner Entscheidung hängt daran, ob ich die Wirklichkeit anerkenne – inklusive der unbequemen Teile: Zielkonflikte, Nebenfolgen, Grenzen der Steuerbarkeit, die Schattenseite meiner eigenen Motive.

Er formuliert das so scharf, dass es sich als Diagnose für manches moderne Führungsproblem lesen lässt: Moralismus, sagt er, zerreißt „Sein und Sollen“, verkündet ein Sollen, ohne die Rückbindung an das Sein sichtbar zu machen; die Klugheit dagegen zeigt den notwendigen Zusammenhang – „im Akt der Klugheit wird ja das Sollen bestimmt durch das Sein“. 

Übersetzt in Führung: Wer „Haltung“ sagt, ohne wirklichkeitsgemäß zu führen, produziert früher oder später Zynismus im Team. Die Leute spüren das sofort: große Worte, kleine Wahrnehmung.

Und noch etwas ist für Leadership-Excellence zentral: Pieper besteht darauf, dass „klug und gut“ zusammengehören – es gibt keine echte Tapferkeit und keine echte Gerechtigkeit, die der Klugheit widersprechen könnten. Wer ungerecht ist, ist „zuvor und zugleich unklug“. 

Das ist unbequem. Aber es ist enorm praktisch: Es macht Selbsttäuschung (und „Ideologie“ im Unternehmen) zu einem Führungsrisiko – nicht nur zu einem moralischen Makel. 

Meine Leitfrage im Coaching lautet deshalb oft nicht „Was ist Ihr Plan?“, sondern: Was sehen Sie (noch) nicht? Und: Was wollen Sie vielleicht nicht sehen, weil es Ihr Selbstbild stört?

Gerechtigkeit: Führung wird am Anderen wahr

Die zweite Achse bei Pieper ist Gerechtigkeit – die Tugend des rechten Verhältnisses zum Anderen. Und damit ist sie sofort Führungstugend: Wer Menschen führt, gestaltet Beziehungen, verteilt Chancen, Aufmerksamkeit, Lasten, Anerkennung, Ressourcen.

Pieper knüpft Gerechtigkeit eng an die Wirklichkeitswahrnehmung: Diese „Kunst des gemeinsamen Lebens“ hängt davon ab, dass ich sachlich erkenne, was ist – und was dem anderen zusteht. 

Gleichzeitig bewahrt die Tradition, auf die Pieper sich stellt, vor einem kalten Legalismus: Der thomistische Satz „Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit; Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit ist die Mutter der Auflösung“ ist kein nettes Sprüchlein, sondern ein realistischer Blick auf Organisationen. 

Zu harte Systeme zerstören Menschen. Zu weiche Systeme zerstören Leistung und Verlässlichkeit. Führung heißt, beides zu integrieren: fair und menschlich – ohne zu verharmlosen.

Tapferkeit: Mut, der sich nicht mit Aktionismus verwechselt

Tapferkeit ist bei Pieper nicht Draufgängertum, sondern die Bereitschaft, Verwundung in Kauf zu nehmen, um das Gute zu verwirklichen. Führung braucht genau diesen Mut: Konflikte führen, Unpopularität aushalten, Entscheidungen treffen, die kurzfristig kosten.

Aber (und das ist entscheidend): Tapferkeit ist nur Tugend, wenn sie von Klugheit geleitet wird – sonst wird Mut zur Pose, zur Eskalation oder zum „starken Mann“-Reflex. Dass Pieper Tapferkeit und Klugheit zusammenbindet, ist der beste Schutz gegen zwei moderne Krankheitssymptome: feigen Opportunismus und moralischen Heroismus.

Maß: Selbstführung als Voraussetzung jeder Fremdführung

Das Maß – die innere Ordnung – ist heute vielleicht die unterschätzteste Führungstugend. In einer Dauerverfügbarkeit aus Mails, Meetings, Messenger und KI-Tempo ist Maß nicht „Verzicht“, sondern Souveränität.

Bei Pieper hat das eine präzise Logik: Ohne Maß verliert der Mensch die Fähigkeit zur objektiven Wirklichkeitserkenntnis – und damit die Klugheit. Selbstführung ist also nicht Wellness, sondern Bedingung von Urteilskraft. Wer innerlich getrieben ist, sieht nicht mehr klar. Und wer nicht klar sieht, führt andere in Nebel hinein.

Was daran „Leadership-Excellence“ ist – und warum das mehr ist als Tugend-Romantik

Pieper ist kein Motivationsredner. Er ist ein Realist der menschlichen Person. Und genau darum ist er für heutige Führung so stark: Er liefert kein neues Tool, sondern ein Kriterium, das Tools wieder einordnet.

Leadership-Excellence heißt dann nicht: „mehr Output bei weniger Reibung“. Sondern: bessere Entscheidungen, bessere Beziehungen, bessere Selbstführung – auf dem Boden der Wirklichkeit. Pieper nennt das nicht „Performance“, sondern Klugheit. Und er meint damit etwas, das vielen Organisationen fehlt: eine Kultur, in der Wahrheit sagbar ist, in der Konflikte nicht moralisch entstellt werden, in der Mut nicht mit Lautstärke verwechselt wird.

Wer Piepers Hauptwerk zu den Kardinaltugenden nachlesen will: Über die Tugenden: Klugheit – Gerechtigkeit – Tapferkeit – Maß

Mein Angebot: „Führen mit Haltung“ als Programm – nicht als Phrase

Ich arbeite mit Führungskräften und Teams genau an dieser Schnittstelle: Urteilskraft (Klugheit), Fairness (Gerechtigkeit), Konfliktmut (Tapferkeit) und Selbstführung (Maß) – und zwar immer entlang realer Fälle aus Ihrem Alltag.

Wenn Sie möchten, können wir das als kompakten Workshop „Leadership-Excellence mit Haltung“ aufsetzen (z. B. 1 Tag oder 2× halbtags): mit Fallarbeit, Entscheidungs-Checks, Konfliktarchitektur und einem persönlichen Tugendprofil als Entwicklungsplan – ohne Kitsch, ohne Moralshow, aber mit Tiefenschärfe.

Wenn das für Sie interessant ist: Schreiben Sie mir kurz, in welchem Kontext Sie führen (Branche, Teamgröße, aktuelle Spannungen) – dann skizziere ich Ihnen ein passendes Format.