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Interview: Nachhaltig Führen in Marketing und Vertrieb

Seit einiger Zeit leite ich die Entwicklung des Trainingsmodules „Marketing und Vertrieb“ für das Projekt „Nachhaltig-Erfolgreich-Führen“ der DIHK Bildungs-GmbH. Für den Blog des Projektes habe ich ein Interview gegeben, dass Sie hier abrufen können.

Für Eilige, hier das Interview:

Lieber Professor Dr. Wagner, Sie sind als Modulleitender gemeinsam mit Anne Kathrin Kirchhoff und Antje Meyer verantwortlich für die Entwicklung des Moduls „Marketing/Vertrieb“. Worauf fokussieren Sie hier besonders?
Ich bin seit Langem dem Team der DIHK-Bildungs-GmbH verbunden. Durch unseren steten Austausch war ich mit der Idee eines Management-Trainings früh im Austausch über die Frage: Woran liegt es, dass Nachhaltigkeit so schwer im Unternehmen zu verankern ist, obwohl eigentlich alle wissen, dass es sein muss? Wo liegen die Hürden? Aus eigener Erfahrung konnte ich die Grundanalyse stützen: „Wir haben immer noch Mauern im Unternehmen.“ Und die wollen wir überwinden.


Von welchen Mauern sprechen Sie da?
Wir erleben, dass das Top-Management einen Impuls für Nachhaltigkeit bekommt und auch ein Strategie in Vorstandsreden bekannt gibt. Aber dann stoßen wir eigentlich im Transfer in der mittleren Managementebene immer auf eine Mauer. Die Führungskräfte dort sind in einer Sandwich-Position, sie haben konfligierende Ziele, die sie erreichen müssen. Sie wissen nicht, wie sie diese Ziele zusammenbringen sollen. Dann gibt es häufig eine Gegenreaktion im Sinne von: „Was sollen wir denn noch alles machen? Ist das wirklich unser Thema?“ Und natürlich: „Müssen wir Nachhaltigkeit überhaupt machen?“ Diese Mauer begegnet mir in meiner Beratung immer wieder.
Also liegt in diesem Mauer-Bild das Grundproblem für die zögerliche nachhaltige Transformation der deutschen Wirtschaft?
Auf jeden Fall! Dieses Problem müssen wir in den Griff bekommen. Dafür müssen wir im mittleren Management das Verständnis für Nachhaltigkeit verbessern und dafür sorgen, dass alle Führungskräfte in eine aktivere Rolle kommen können, damit sie in der eigenen Abteilung und auch nach oben hin sprechfähiger werden. Wir sollten auch dazu beitragen, dass wir das mittlere Management zu einem sinnstiftenden Mitdenken befähigen: dass in den Abteilungen nicht nur der nachhaltige Auftrag realisiert wird, sondern dass dort erkannt wird, welche positiven Effekte nachhaltiges Handeln auf die Unternehmensstrategie haben kann. Die Anschlussfähigkeit in beide Richtungen zu verbessern, fand ich als Lehrauftrag von Anfang an richtig und gut.
Sie sind verantwortlich für das Modul „Marketing/Vertrieb“ innerhalb des IHK-Management-Trainings. Wie ist Ihre Perspektive auf das Lehrthema?
Vertriebskommunikation und Marketing sind seit vielen Jahren meine Themen. Zudem habe ich mich vor vielen Jahren bereits auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisiert. Beim Verkauf des Themas bin ich jedoch lange Zeit auf Probleme gestoßen. Ja, man kann sagen, dass ich unter ökonomischen Gesichtspunkten viele Jahre durchaus erfolglos mit dem Thema CSR (Corporate Social Responsibility) herumgelaufen bin. Ich kenne daher die ganzen Einwände und Widersprüche, an denen CSR oder besser Nachhaltigkeit noch immer im Unternehmen scheitert, auch wenn Nachhaltigkeit in der Breite und im Marketing längst angekommen ist. Heute unterrichte ich Sustainable Management und Sustainable Communication. Nachhaltigkeit in der Markenkommunikation ist mein zentrales Lehrthema, insofern passte das also auch fachlich sehr gut.
Welche neuen Ansätze setzen Sie im IHK-Management-Training um?
Das ist einerseits das konsequente Blended-Learning-Format. Die Erfahrungen der letzten Monate bestätigen, wie wichtig eine digitale Lernmöglichkeit ist. Denn jetzt zeigt sich, dass die klassischen Schulungskonzepte mit der Arbeitsrealität nicht mehr vereinbar sind: für zwei Tage irgendwo hinfahren, dann dort gemeinsam lernen und wieder zurückfahren. Das hat uns den Ansporn gegeben, ein medial spannendes Konzept zu bieten, mit zahlreichen Podcasts und Videos, mit dem wir verschiedene Zugangswege und Lernniveaus ermöglichen. Unser Curriculum und die Lernmedien laden zum individuellen Lernen ein und lassen sich sehr gut mit dem Arbeitsalltag kombinieren.
Neu ist auch das Konzept, dass die Vertiefungsmodule wie „Marketing/Vertrieb“ auf Grundlagenmodulen aufbauen, in denen die strategische Einbindung unternehmerischer Nachhaltigkeit vermittelt wird.
Was lernen die Marketing-Führungskräfte über das hinaus, was sie auch in Fachbüchern nachlesen können?
Uns ist wichtig, dass wir mehr bieten als die Basisargumente, die auswendig gelernt werden. Wir nehmen die Führungskräfte in ihrer Managementfunktion ernst und möchten überzeugen: Das Thema Nachhaltigkeit kann mehr! Wir wollen das Thema positiv und vor allem innovativ angehen. Marketing/Vertrieb ist die klassische Brücke zum Kunden. Wenn ich von gesellschaftlicher Verantwortung spreche, spreche ich immer auch vom gesellschaftlichen Dialog. Verantwortung heißt ja nicht nur, unternehmerisches Tun anderen gegenüber zu verantworten, sondern eben auch Antworten zu geben. Daher liefert Nachhaltigkeit eine wertvolle Dialogmöglichkeit mit dem Kunden.
Wie setzen Sie dieses Trainingsziel um?
Erstens sorgen wir für die Sprechfähigkeit inhouse, nach oben, unten und in die Breite. Zweitens wirken wir für mehr Sinnverständnis. Wir haben es mit einer riesigen gesellschaftlichen Veränderung zu tun, bei der jedes Unternehmen seine Rolle und seinen Beitrag für eine nachhaltige Transformation finden muss. Wer marktorientierte Unternehmensführung betreiben will, wer mit Marketing seinen Anschluss am Markt sichert, der sollte Nachhaltigkeit als eine Chance verstehen, um eine klare Position einzunehmen. Nachhaltigkeit ist so gesehen ein strategischer Ansatz zur Sicherung der Unternehmenszukunft. Wir sehen es als Ziel, gerade für Marketingverantwortliche, dass sie die Unternehmensverantwortlichen dafür sensibilisieren und aufzeigen, wo die speziellen Anknüpfungspunkte zu den Themen Marke und Kundenbeziehung sind.
Sind diese Punkte etwa noch nicht klar?
Die Marke entsteht ja im Kopf des Kunden, das heißt, ich muss im Kopf meiner Kunden sein mit einer nachhaltigen Grundhaltung. Meine Kunden müssen Anknüpfungspunkte für sich finden. Wir arbeiten daher daran, die Kunden von Anfang an mitzudenken, die Kunden einzubinden. Das klingt logisch, wird aber immer noch nicht konsequent umgesetzt. Wir wollen mit unseren Teilnehmenden Alternativen zum jetzigen Marktauftritt finden. Dabei ist es wichtig, sich einen ko-kreativen Ansatz überhaupt zu trauen: im Team, inhouse, über die Abteilungen hinweg und mit einem klaren Signal an den Kunden. Nachhaltigkeit kann von den Marketing- und Vertriebsverantwortlichen ganz klar als Strategieprojekt und fortlaufendes Entwicklungsprojekt aufgesetzt und kommuniziert werden – und nicht als ein Projekt, das intern aufgezogen und nach drei Monaten stolz präsentiert wird.
Die beständige Einbindung von internen und externen Gruppen braucht neue persönliche Skills. Wie vermitteln Sie diese?
Zum einen mit klassischem Wissen über die Themen, die Hürden und die Herausforderungen – Marketingverantwortliche müssen natürlich wissen, wo der Kunde steht. Welche Herausforderungen und Verständnisprobleme bringen meine Kunden mit? Wie bereit sind sie, sich auf das Thema Nachhaltigkeit einzulassen? Das muss geklärt werden, um mit diesem Wissen einen Transfer ins eigene Unternehmen hinzubekommen.
Und wir werden hart am Transfer ins Unternehmen arbeiten. Jeder Teilnehmende wird an einem eigenen Case arbeiten und darüber auch im Austausch mit anderen und deren Cases sein. So wirken wir für wichtige Impulse unter Marketingfachleuten: darüber, wie Kollegen mögliche Hürden überwunden haben, wie sie zum Beispiel an Grenzen gestoßen sind, an die man selbst noch nicht gedacht hat. Wir fördern also den Austausch untereinander, um gemeinsam Wertvolles zu teilen und voneinander zu lernen.
Was macht Marketing eigentlich nachhaltig?
Nachhaltigkeit ist ein Innovationsthema. Wer sich die Frage stellt, ob das so, wie gearbeitet wird, unter N-Gesichtspunkten in Ordnung ist, ob das Geld auf die richtige Art und Weise verdient wird, der wird bei vielen Unternehmen die Antwort „Nein“ oder „Teilweise nein“ erhalten. Das heißt, wir müssten eigentlich etwas ändern. Diesen Change kann keine Unternehmensabteilung allein umsetzen. Dazu braucht es das ganze Unternehmen: Es reicht nicht, dass ein cleverer Ingenieur neue Rohstoffe für eine neue Produktzusammensetzung findet. Marketing und Vertrieb haben gerade deswegen, weil sie Auge und Ohr des Unternehmens sind, die einmalige Position, das Wissen des Marktes aufzunehmen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass Kommunikation und Marketing sich seit vielen Jahren radikal ändern. Kunden erwarten heute mehr denn je offene Systeme, sie erwarten Feedback und wollen sich beteiligen – vor allem, wenn aus der Marke eine Beziehung werden soll. Nachhaltigkeit enthält unglaublich viele Gesprächschancen und Beziehungssignale Richtung Kunde. Das darf nicht brachliegen.
Wie stehen Sie zum Aufklärungsauftrag eines Unternehmens über nachhaltigen Konsum?
Das ist für die Glaubwürdigkeit unabdingbar. Kunden merken, ob nur eine Pflicht erfüllt wird oder ob wirkliches Engagement dabei ist. Als ehrbare Kaufleute und wichtige Akteure der Transformation haben Unternehmer die Pflicht, sich über ihren eigenen Unternehmensbereich stark zu machen. Sie sollten mit ihrer eigenen Motivation und Begeisterung dazu beitragen, dass auch andere was tun. Wichtig ist doch, nicht nur davon zu berichten, dass man seinen nachhaltigen Verpflichtungen nachkommt. Es geht darum, über das zu sprechen, was wir mit Impact meinen: die tatsächliche Veränderungsleistung, die wir anstreben. Um den Impact zu vergrößern, brauchen wir unsere Kunden. Deshalb gehört Consumer Responsibility zum nachhaltigen Marketing dazu: Unternehmen haben auf jeden Fall einen Multiplikatorenauftrag. Und auch den Auftrag, Hilfestellung zu leisten, damit die Kunden mit den Produkten möglichst nachhaltig umgehen können.
Häufig heißt es, in Umfragen wollen Kunden Nachhaltigkeit, aber sie kaufen sie nicht.
Das ist das alte Henne-Ei-Spiel: Wer ist schuld? Gerade die Vertriebsverantwortlichen berichten immer wieder, dass sie Produkte ins Regal gebracht haben, die keine Abnehmer gefunden haben. Nachhaltigkeit verkauft nicht. Um positive Vertriebsergebnisse zu erzielen, müssen die nachhaltigen Produkte leider wieder herausgenommen werden. Das ist die klassische Nummer und sie stimmt ja auch zum Teil. Aber wenn wir auf den Anteil nachhaltigen Konsums schauen, dann sehen wir ein großes, absolut notwendiges Aufholpotenzial. Ich bin der Überzeugung, die Zeit der Ausreden ist vorbei und somit auch das Schuld-hin-und-her-Schieben. Wir brauchen dringend eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, in der sich die Unternehmen klar positionieren müssen. Damit fallen Entscheidungen auch gegen Produkte, die es dann einfach nicht mehr gibt oder die durch intelligente Alternativen substituiert werden. Deshalb wird es wichtig, dem Kunden ehrlich zu erklären, warum es besser ist, die Alternativen zu nutzen. Und ja, natürlich müssen diese Produkte konkurrenzfähig sein. Doch das ist eine Aufgabe, die sich als Kraftanstrengung an alle Unternehmensbereiche richtet.
Was wird besonders wichtig für Marketingstrategen, um Nachhaltigkeit in die Marketingstrategie einzubauen?
Im Marketing müssen gerade bei den Themen Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Beziehung klare Signale nach innen und nach außen gesetzt werden. Als Verantwortlicher muss man dazu stehen und es verteidigen können. Alibi-Produkte erkennt jeder. Sie entlarven das Unternehmen auf ganzer Linie.
Zurück zu Ihrem Lehrkonzept: Wie viel Zeit müssen Marketingfachleute mitbringen, um sich im IHK-Management-Training weiterzubilden?
Der reine Lehranteil umfasst ca. 24 Stunden im Modul „Marketing/Vertrieb“. Zwei Drittel davon sind online angelegt. Hinzu kommen nach heutiger Planung zwei Präsenzzeiten, in denen an den eigenen Cases gearbeitet wird. Wir rechnen mit 24 Stunden Online-Lehre und noch mal so viel Zeit für Transferaufgaben, Eigenarbeit und den Austausch mit KollegInnen. Dabei ist wichtig, dass jeder selbst über sein Lerntempo entscheiden kann.
Werden Sie als Modulleitender auch selbst unterrichten?
Ja, klar, mich interessieren die Ergebnisse sehr und daher werde ich dicht dranbleiben, sei es in der Moderation, in Fachvideos oder in den Präsenzzeiten. Ich freue mich sehr auf den Nachhaltigkeitsaustausch mit möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen aus Marketing und Vertrieb!
Und wir freuen uns, dass Sie mit Ihrer Lehr- und Beratungskompetenz das Management-Training ausgestalten. Herzlichen Dank!