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Ein fiktives Gespräch zwischen Kant und Pieper: Über Pflicht, Nachhaltigkeit und das Gute

Wir fordern nachhaltiges Wirtschaften – aber warum eigentlich? Und auf welcher Grundlage?
Eines meiner grundlegenden Themen ist ja: Warum machen wir eigentlich die Dinge, die wir tun? Oder: Warum passieren immer wieder Dinge, die wir alle eigentlich nicht wollen? Ich denke, dass wir viel zu selten über unsere grundlegenden Überzeugungen und Antriebe sprechen und uns deshalb auch nicht wundern müssen, wenn wir weder Verständigung, noch sinnvolle Handlungen auf die Reihe bekommen.

In der Unternehmenspraxis stehen wir ja auch ständig vor Fragen wie:
Warum sollten wir fair oder ökologisch handeln, wenn es kurzfristig Verluste bringt?
Aber nun die Frage: Zählt allein die Wirkung – oder auch die Motivation dahinter? Oder ist es am Ende wurscht – Hauptsache das Richtige passiert?

Oder:
Ist „Pflicht“ in der Wirtschaft überhaupt noch vermittelbar?
Oder braucht es einen tieferen Sinn, der über Kennzahlen hinausgeht?

Ich habe mal in dem Artikel einen fiktiven Dialog zweier große Denker als Hintergrund genommen – wovon einer einer meine Lieblinge ist – Wer rät welcher?

Immanuel Kant oder Josef Pieper? Sie diskutieren über Pflicht, Tugend, das gute und Sinn.

Was würden sie Führungskräften und Unternehmer:innen heute sagen? Und warum spielt das eine Rolle?

Ort: Eine Bibliothek außerhalb von Raum und Zeit. Zeit: Irgendwann zwischen Aufklärung und Nachkriegsmoderne. Szene: Zwei Philosophen sitzen einander gegenüber. Zwischen ihnen liegt ein Zeitungsartikel:

„Konzern verzichtet auf Rendite zugunsten ökologischer Standards – freiwillig.“

Kant (setzt seine Brille ab)

„Ein erfreuliches Beispiel. Der Unternehmer hat offenbar aus Pflicht gehandelt. Nicht wegen Gewinn, nicht aus Sympathie. Sondern weil es richtig war.“

Pieper (leicht schmunzelnd)

„Aber würden Sie nicht zustimmen, Herr Kant, dass ein solches Handeln nicht nur formal korrekt, sondern auch gut im vollen Sinne des Wortes sein sollte? Aus der Einsicht, dass der Mensch zur Gerechtigkeit berufen ist – nicht bloß zur Gesetzestreue?“

Kant (nickt, aber bleibt fest)

„Das Gute liegt in der Form: dass der Wille sich so bestimmt, dass seine Maxime ein allgemeines Gesetz sein kann. Würde jeder Unternehmer Umweltstandards ignorieren, wäre bald keine Geschäftsgrundlage mehr übrig.“

Pieper

„Sie argumentieren vom Gesetz her. Ich vom Ziel. Der Mensch will nicht nur richtig handeln – sondern gut leben. Nachhaltigkeit ist nicht bloß Pflicht, sondern Teil einer Ordnung des Guten. Sie erinnern sich an Thomas von Aquin: Bonum est diffusivum sui – das Gute teilt sich mit.“

Stille. Eine junge Stimme fragt von irgendwo im Raum:

„Aber was, wenn mich das Gute ruinieren würde? Wenn ich wegen meines Gewissens scheitere?“

Kant (klar und ruhig)

„Moralisches Handeln misst sich nicht an seinem Ausgang. Es ist nicht gut wegen der Wirkung, sondern weil es dem Gesetz der Vernunft gehorcht. Wer so handelt, handelt frei – auch im Untergang.“

Pieper (leise)

„Und doch ist das Gute mehr als Gesetz. Es ist etwas, das den Menschen erfüllt. Wer nachhaltig handelt, tut nicht nur seine Pflicht – er antwortet auf einen Sinn. Auf ein logos – sei es als Schöpfungsverantwortung, soziale Gerechtigkeit oder Achtung vor dem Lebendigen.“


Kant blickt nachdenklich auf das Zeitungspapier. Pieper nimmt ein Buch zur Hand.

Kant (nach einer Pause)

„Ich habe Gott nur als Postulat der praktischen Vernunft eingeführt. Weil Moral Sinn braucht – über das Sichtbare hinaus. Ich frage mich, ob ich damit nicht doch mehr gesagt habe, als ich zugeben wollte.“

Pieper (lächelt, aber ernst)

„Vielleicht, Immanuel. Vielleicht ist es gerade die Pflicht, die den Menschen zum Guten hinführt – das größer ist als er selbst. Und vielleicht ahnt selbst ein pflichtgetreuer Unternehmer:

Ich tue das Richtige – weil es wahr ist. Und weil ich dadurch mehr Mensch werde.

Ein fiktives Gespräch zwischen Kant und Pieper: Über Pflicht, Nachhaltigkeit und das Gute

Ort: Eine Bibliothek außerhalb von Raum und Zeit. Zeit: Irgendwann zwischen Aufklärung und Nachkriegsmoderne. Szene: Zwei Philosophen sitzen einander gegenüber. Zwischen ihnen liegt ein Zeitungsartikel:

„Konzern verzichtet auf Rendite zugunsten ökologischer Standards – freiwillig.“

Nachwort: Pflicht oder Gutsein – zwei Wege zur Moral in der Wirtschaft

Der fiktive Dialog zwischen Immanuel Kant und Josef Pieper beleuchtet zwei sehr unterschiedliche Wege zu moralischem Handeln – beide rational, beide ernsthaft, beide relevant für die Wirtschaftsethik. Aber sie setzen an unterschiedlichen Stellen an – und führen möglicherweise zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Immanuel Kant: Moral aus Pflicht – unabhängig von Folgen

Kant vertritt eine deontologische Ethik:

  • Moral entsteht durch die Fähigkeit des Menschen, sich selbst ein Gesetz zu geben – das aber für alle gelten muss.
  • Der sogenannte kategorische Imperativ prüft, ob meine Handlungsregel („Maxime“) verallgemeinerbar ist. Wenn nicht – ist sie unmoralisch.
  • Entscheidend ist nicht der Zweck, nicht das Gefühl, nicht der Nutzen – sondern die reine Vernunft und die Absicht, aus Pflicht zu handeln.

Für Kant ist also nachhaltiges Wirtschaften nur dann moralisch, wenn es aus Achtung vor dem moralischen Gesetz geschieht – nicht, weil es mein Image verbessert oder dem Planeten hilft.

Beispiel: Ein Unternehmen reduziert CO₂ nicht aus Marketinggründen oder Kosteneffizienz, sondern weil es erkannt hat, dass es richtig ist, Verantwortung zu übernehmen – selbst wenn es Geld kostet.

Josef Pieper: Moral als Teilhabe am Guten

Pieper, als Vertreter der thomistischen Tugendethik, argumentiert ganz anders:

  • Moralisches Handeln ist gut, weil es dem Wesen des Menschen entspricht.
  • Der Mensch ist auf ein Ziel (telos) hin geschaffen – nämlich auf das Gute, das ihn erfüllt (klassisch: Glückseligkeit, eudaimonia).
  • Pflichten sind keine abstrakten Gesetze, sondern konkrete Ausdrucksformen einer objektiven Ordnung des Guten, die der Mensch durch Vernunft und Gewissen erkennt.

Für Pieper ist nachhaltiges Wirtschaften nicht nur moralisch, weil es dem Gesetz folgt, sondern weil es dem Menschen entspricht, gerecht, maßvoll, verantwortungsvoll zu handeln – also tugendhaft zu sein.

Beispiel: Ein Unternehmer setzt sich für faire Lieferketten ein, weil er erkennt: Das ist das Richtigeweil es der Gerechtigkeit dient, dem Menschen hilft, der Schöpfung entspricht und sich mit dem Guten verbindet, das ihn selbst erfüllt.

Worin stimmen beide überein?

  • Moral ist mehr als Nutzen, Markt oder Eigennutz.
  • Der Mensch ist fähig zur Einsicht, dass manches zu tun ist – auch wenn es wehtut.
  • Nachhaltigkeit ist nicht bloß Strategie, sondern moralischer Ernstfall.

Aber: Warum ist es nicht egal, welchem Ansatz man folgt?

Weil die Grundannahmen unterschiedlich sind – und das wirkt sich auf Motivation, Maßstäbe und Konsequenzen aus:

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Ein und dieselbe Handlung – z. B. auf kurzfristigen Gewinn zu verzichten, um CO₂ zu senken – kann also je nach ethischem Ansatz ganz anders verstanden, gewertet und begründet werden.

  • Wer Kant folgt, achtet auf Pflicht und Konsistenz.
  • Wer Pieper folgt, fragt nach dem Guten, das dem Menschen entspricht.

Beides kann zu Nachhaltigkeit führen – aber mit unterschiedlicher Tiefe, Motivation und Ausstrahlung.

Was meinen Sie?

  • Warum sollte ein Unternehmen nachhaltig handeln – auch wenn es wirtschaftlich nicht belohnt wird?
  • Ist es wichtiger, dass man „das Richtige“ tut – oder dass man „aus dem richtigen Grund“ handelt?
  • Was motiviert wirklich – Pflicht oder Sinn? Und ist das moralisch relevant?
  • Braucht Moral eine Idee vom Guten – oder reicht es, wenn sie rational konsistent ist?
  • Wem vertrauen wir mehr: Dem, der aus Gesetzestreue handelt, oder dem, der Gutes will?

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