Nachhaltigkeit ist längst kein reines Kommunikationsthema mehr. Marken, die heute überzeugen wollen, müssen mehr leisten als gut gemeinte Aussagen. Sie müssen Wirkung zeigen – intern, extern, gesellschaftlich. Genau hier setzt das Scope-Modell an, das mein Kollege Prof. Dr. Jan-Dirk Kemming und ich entwickelt haben.
Wir haben dieses Modell im Jahr 2024 in der St.Gallen Marketing Review publiziert.
In Teil 1 dieses Blogbeitrags habe ich den strategischen Rahmen vorgestellt: Vier Scopes, mit denen Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistung differenzieren, strukturieren und kommunizieren können. In diesem zweiten Teil zeige ich, wie Unternehmen das Modell konkret anwenden können – mit Blick auf Mitarbeiter:innen, Kunden, Digitalisierung und gesellschaftliche Wirkung.
Mitarbeitende befähigen: Nachhaltigkeit von innen denken
Nachhaltigkeit beginnt im Unternehmen – aber sie lebt erst durch die Menschen, die sie umsetzen. Der Scope 2 des Modells fragt deshalb: Wie aktivieren wir Mitarbeitende, Partner und Netzwerke für eine glaubwürdige Nachhaltigkeitsstrategie?
Die Realität zeigt: Noch fehlt vielen Beschäftigten der ganzheitliche Blick auf Nachhaltigkeit. Zwar steigt das Interesse – doch es braucht gezielte Befähigung, konkrete Aufgaben und Entscheidungsfreiräume, damit aus Haltung auch Handlung wird.
Besonders wichtig: Auch informelle Strukturen und Graswurzelinitiativen spielen eine Rolle. Sie machen deutlich, wie sehr kulturelle und kommunikative Dynamiken den Unterschied zwischen Papierstrategie und gelebter Praxis ausmachen.
Nachhaltigkeit an der Kundenschnittstelle: Empowerment mit Augenmaß
In Scope 3 rückt die Frage in den Mittelpunkt: Wie ermöglichen wir Konsument:innen, nachhaltig zu handeln?
Das reicht von Reparaturservices über Pflegehinweise bis zu digitalen Produktpässen und virtuellen Rückgabesystemen. Entscheidend ist aber auch: Kunden sind keine „Verbündeten per Vertrag“. Nicht jede Marke wird zum Lebenspartner. Umso wichtiger ist ein Kommunikationsstil, der ermutigt statt belehrt – konkret, transparent, unterstützend.
Ein inspirierendes Beispiel: Unternehmen wie Vaude setzen auf Second-Hand-Plattformen, Repair-Angebote und umfassende Materialtransparenz. Nicht als Greenwashing – sondern als echte Einladung zum Mitmachen.
Künstliche Intelligenz & Digitalisierung als Enabler
Ein unterschätzter Hebel für nachhaltige Markenführung ist die Twin Transformation: die Verknüpfung von Nachhaltigkeit mit digitalen Technologien. Vor allem Künstliche Intelligenz (KI) kann hier zum Enabler werden:
- Analyse von ESG-Daten in Echtzeit (Scope 1)
- Feedbacksysteme und adaptive Kommunikation für Mitarbeiter:innen (Scope 2)
- Interaktive Produktberatung und Reparaturhilfen für Kund:innen (Scope 3)
- Medienresonanzanalyse und Impact-Partner-Screening (Scope 4)
Entscheidend ist: KI darf nicht ersetzen, sondern soll unterstützen, verknüpfen und verständlich machen. Richtig eingesetzt, wird sie zur Brücke zwischen Nachhaltigkeit, Markenstrategie und gelebter Praxis.
Medienwandel & neue gesellschaftliche Rollen
Scope 4 erweitert den Blick: Welche Rolle spielt die Marke im gesellschaftlichen Diskurs?
In einer fragmentierten Medienlandschaft müssen Unternehmen lernen, ihre Narrative bewusst zu gestalten – glaubwürdig, reflektiert, anschlussfähig. Das bedeutet auch: Desinformation erkennen, Verantwortung übernehmen, partnerschaftlich mit NGOs, Medien und Kulturakteuren kooperieren.
Besonders wirksam: Impact-Sponsoring, Co-Creation mit Zivilgesellschaft und authentische Corporate Publishing-Formate. Wer hier agiert, wird vom Sender zum Teil des öffentlichen Diskurses.
Was Sie ab morgen tun können
Sie möchten anfangen? Dann empfehle ich fünf erste Schritte:
- Wirkungslandkarte erstellen: Welche Themen spielen in Scope 1–4 aktuell eine Rolle?
- Interdisziplinäres Team aufstellen: Integrieren Sie Kommunikation, HR, Nachhaltigkeit, Produktentwicklung.
- Wirkungslücken erkennen: Wo leisten Sie viel – aber kommunizieren zu wenig?
- Mit einem Scope starten: Kleine Pilotprojekte mit klarer Zielsetzung helfen beim Einstieg.
- Externe Resonanzpartner suchen: Forschung, NGOs oder Peer-Unternehmen bieten hilfreiches Feedback.
Fazit
Scope-basierte Markenführung ist kein Modebegriff. Sie ist ein Weg, um Komplexität zu strukturieren, Wirkung sichtbar zu machen – und Marken glaubwürdig, differenziert und zukunftsfähig zu führen.
Sie möchten das Modell in Ihrem Unternehmen anwenden?
Ich begleite Sie gerne mit einem maßgeschneiderten Beratungsangebot – strategisch, operativ, kommunikativ.
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